Mit dem
Fahrrad über
japanische Bahntrassen
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Kōchi - Insel Shikoku
Entlang der Pazifikküste in der Präfektur Kōchi teilen sich Pilger
und Radfahrer die Trasse der alten "Tosa Electric Railway Aki Line" 土佐電気鉄道安芸線. Diese Bahnlinie existierte
von 1930 bis 1974. Die heutige Gomen-Nahari-Bahnlinie verläuft zwar parallel zur alten Trasse
ist aber ein kompletter Neubau aus dem Jahr 2002.
Der "Kōchi Aki Bicycle Path"
verbindet zwei herausragende Persönlichkeiten der alten Domäne Tosa aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Beide, der Maler Ekin und den Firmengründer des Mitsubishi Konzerns wurden vom Fürstenhaus der
Yamauchi protegiert.
Aber beide fielen auch in Ungnade und mussten ganz unten neu anfangen, der eine wegen Fälschung
der andere wegen seines robusten Auftretens.
Holpriger Start aber schliesslich grosser Erfolg und Ehre in der neuen Meji Zeit.
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Ekin 絵金
Mit seiner traditionellen Ausbildung bei Meistern des Ukiyo-E und nach seiner Rückkehr aus der Verbannung
wurde Ekin (Hirose Kinzō, 1812-1876) der Mahler der einfachen Leute.
Auf seinen Wandschirmen und Kabuki Theaterkulissen werden groteske, gruselige und grausame Geschichten erzählt.
Immer mit viel Ironie und viel der leuchtend, blutroten Farbe.
Es heisst, dass sich durch Ekin's Manga Szenen sogar böse Geister abschrecken lassen.
Witzige und erotische Details aus dem täglichen Leben sind zu geniessen
im Museum 'Ekingura' in Akaoka 赤岡町:
www.ekingura.com
Wie überall in kleinen Städten gibt es nur noch wenige traditionelle Läden.
Aber in der Altstadt von Akaoka (Konan city) gibt es noch Okkou-Ya mit Kunsthandwerk und Trödel.
Zu finden wenige Schritte entfernt vom Museum in Richtung des Bahnhofs Akaoka
あかおか.
Yasu Bahnhof
Gegenüber dem Bahnhof Yasu gibt es ein kleines Einkaufzentrum mit Obst, Kaffee, Eis und Toiletten.
Übrigens, Fahrräder werden von der Bahn auf Shikoku grundsätzlich nur komplett in einer Tasche verpackt mitgenommen.
Am Rande des Parkplatzes teilen sich alte und neue Bahntrasse und es beginnt der ausgewiesene 19 km lange
Rad- und Fussweg: 高知安芸自転車道.
Zugbrücke
Grosse Zugbrücke für einen kleinen Hafen. Öffent nehrmals täglich nach festem Zeitplan und spielt den Topact in dramatischen Videos:
www.youtube.com/watch?v=DR3InNzVcME
Links hinten die blaue Stahlbogenbrücke am Bahnhof Yasu, rechts zwischen den Häusern die Radtrasse auf dem Weg zum 1. Tunnel.
Unterführung in Tei-Kan
Die ersten 11.8km der Bahnstecke vom Knotenpunkt Gomen bis hier oberhalb der Hafens Yasu waren schon 1925 fertig.
Mit dem Bau der folgenden Tunnel wurde 1929 begonnen.
Erster Tunnel 156m, zweiter Tunnel 106m, Eröffnung der gesamten Stecke bis Aki 1930, Elektrifizierung im Jahr 1949.
Seitenkō Tunnel
Die drei poetischen Zeichen über dem Portal
征天工 (Seitenkō)
lassen sich vielleicht als 'Gutes Werk erobert den Himmel' übersetzen.
Cycling Terminal
Hier zwischen den Tunneln geht es rechts abwärts direkt zum 'Konan city cycling terminal':
www.shioyajuku.com
Einfaches Hotel mit gutem Essen und grosser Auswahl an Fahrrädern.
Tōryūmon Tunnel
Das Motto am Ausgang des zweiten Tunnels
登龍門 (Tōryūmon).
Vielleicht 'Das Drachentor ist erreicht' ?
Alter Haltepunkt Gansei. Die neue Strecke hoch oben.
Seahouse
Das Restaurant Seahouse. Feiner Béton Brut mit bester Aussicht.
Die richtige Location für ein 2. Frühstück mit frischem Croissant und grossem Cappuccino?
Leider nichts dergleichen, also weiter mit dem gerade gekauften Wasser von Lawson.
Zwei Schwestern
O-Ryō お龍 mit ihrer jüngeren Schwester
Kimi-Eda 君枝.
Unvergessen ist O-Ryō durch die dramatischen Ereignisse von 1866 als sie Sakamoto Ryōma,
den Samurai und grossen Kämpfer für die Meji Reformen, vor einem Mordanschlag rettete.
Beide heirateten und das moderne Paar reiste gemeinsam zu mehreren heissen Quellen, die erste Hochzeitsreise in Japan.
Vor der Mauer
Nicht immer gehts direkt auf der Bahntrasse sondern wie hier
auf der Seeseite der Schutzmauer.
Die neue Schnellstrasse E55 wird hoch über die Flussmündung geführt.
Durch die Baustelle für die neuen Brückenpfeiler ist der Weg vorläufig von
der roten Brücke bis zum Rastplatz Akano gesperrt,
Wanderer und Radfahrer müssen über die Landstrasse (Stand 5/2023).
Spurensuche
Im Bereich des Aki Fischerhafens zwischen Radweg und der Hauptstrasse die letzten
Spuren der historischen Bahnstrecke: zwei Schwellen, ein Stück Bahndamm, rostiges Wellblech und andere vergessende Dinge.
Pilgerweg
Blick auf den Hafen von Aki 安芸.
Die alte Bahntrasse ist auch Teil des Shikoku Pilgerwegs mit seinen 88 Tempeln.
Im Tagebuch einer erlebnisreichen Pilgerreise
https://shikoku-pilgerweg.de ist es die 18. Etappe auf dem Weg
vom Nr.27 Konomine-ji in Yasuda zum Tempel Nr.28 Dainichi-ji in Konan.
Fisch, Reis und Sake
In der Altstadt von Aki, bei der alten Sake Braurerei (Tosa-Kikusui) links, dann am grossen Krankenhaus der Stadt vorbei geht es
oberhalb des breiten Tals zum Mitsubishi Museum.
Zwischen Reisfeldern und traditionellen Scheunen entlang der
engen Strasse beginnt die kleine Zeitreise.
Haus des Mitsubishi Gründers
Iwasaki Yatarō (1835 - 1885) wurde als ältester Sohn einer einfachen Bauernfamilie geboren.
Der in Armut geratene Grossvater hatte den Samurai-Status der Familie verkauft und sein Vater war
selten nüchtern anzutreffen. Nur die Arbeit der Mutter ermöglichte ihm den Besuch der Dorfschule.
Beim Versuch seinen Vater nach einer Kneipenschlägerei aus dem Gefängnis zu holen geriet der 19 jährige
selber in Konflikt mit den Behörden der Tosa Domäne.
Es folgten 7 Monate Haft für den Vorwurf die Gefängniswachen hätten Schmiergeld verlangt.
Sein Job in Edo (Tokyo) war weg und er hielt sich als Dorfschullehrer über Wasser.
Aber zu dieser Zeit lernte er auch den Samurai Yoshida Tōyō kennen der sich
für moderne Bildung, die Abschaffung der Stände und die Industrialisierung Japans einsetzte.
Mit diesem einflussreichen Protegé gelang Iwasaki der Weg zurück in die Geschäfte
der fürstlichen Tosa Domäne.
Soweit die Geschichte hier in Aki. Wie dann aus dem kleinen Angestellten der dominante
Geschäftsmann das kaltherzige 'Sea Monster' wurde, wie er die Chancen nutzte die ihm das zerfallende Ancien Régime
bot und was die japanische Strafexpedition nach Taiwan 1874 damit zu tun hatte findet sich im spannenden Essay
von Prof. Kōzō Yamamura
'The Founding of Mitsubishi: A Case Study in Japanese
Business History'
.
Etwas kompakter Iwasaki's Biografie als kleine
Graphic Novel:
Man kann sagen, dieser Mann mit den buschigen Augenbrauen und seiner oversized Statur konnte gut mit Menschen, seine Verhandlungstaktik mit bestem Essen,
viel Wein und umschmeichelnden Geishas war erfolgreich bei Politikern, Beamten und ausländischen Geschäftsleuten.
Insidergeschäfte, Kürzung von Löhnen und rücksichtslose Beseitigung von Konkurrenten gehörten dazu.
Dann hatten wir im Schatten der Bäume genug im Internet gestöbert und mussten uns auf den Rückweg machen.
Bild oben: Gyotaku Fische von 嚴尚文
Last update May 2023
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Auf dem Fahrrad: Martin Eickhoff & Stella Chiang
Bad Laasphe, Germany
martin (at) oakhouse.de